Im Sommer - vor dem Seminar im Sachsenhain Verden (s.o.) - vom 10. bis 31. Juli 1974 findet auf Norderney ein „Projekt“ statt, das ganz offensichtlich im Vorfeld als ein Experiment deklariert wird. Der Arbeitstitel: „Kurseelsorge-Hostess - ein Selbstversuch auf Zeit“.
Hierzu hat Erika Krumwiede sogar die Unterstützung und finanzielle Fürsprache der Kur-Seelsorge der Missionarischen Dienste im Amt für Gemeindedienst, Hannover.
Das vorliegende Protokoll von Erika Krumwiede dokumentiert handschriftlich die Umrisse und konzeptionellen Grundgedanken des Projektes ebenso wie die prozessorientierte Arbeitsweise des Kleinteams. Sie arbeitet mit drei jungen Leuten zusammen, darunter eine Theologiestudentin, die damals ein Praktikum macht.
In ihrer unnachahmlichen, fragmentarischen und ausgewählten Darstellungsweise schildert Erika Krumwiede den Arbeitsprozess in einem der Insel-Kirchengemeinde gehörenden „Rundbau“ vom ersten bis zum letzten Tag. Darin sind alle Höhen und Tiefen, Fragestellungen, Probleme, Widersprüche und Konflikte enthalten, die sowohl im Kleinteam zutage treten, wie auch mit den verschiedensten Teilnehmenden am Projekt und mit den mit unterschiedlicher Distanz agierenden „Verantwortlichen“ der Kirchengemeinde. Die Arbeitsweise und die Konzeptansätze dieses Projektes stehen von Anfang an in ungeheurem Widerspruch zu den doch eher konservativen und experimentier-unwilligen Vorstellungen der Ortsgemeinde, bzw. deren Repräsentanten, über ein „Angebote“ der Kurseelsorge während der Hauptsaison auf einer Insel.
In den Darstellungen von Erika Krumwiede erscheinen immer wieder Hinweise auf Auseinandersetzungen ganz grundsätzlicher, konzeptioneller Art. Während sie auf offensive Kommunikation, Partnerschaft und Selbstverantwortlichkeit der Teilnehmenden (Gäste) am Projekt dringt (und auch in Grenzen das eigene Team für diese Tendenz gewinnt), ereignen sich oft massive Konfrontationen, weil Verantwortliche und viele Gäste vom Team Programme, Anleitung, Absprachen und Ergebnisse, sowie Zielaussagen erwarten. Da am ganzen Prozess Kinder, junge Leute und Erwachsene teilnehmen, wird auch deutlich, wie unterschiedlich die jeweilige Teilnehmergruppe auf die offenen Vorgaben des Kleinteams reagiert. Ganz offensichtlich sind dabei die Kinder am ehesten bereit, den unkonventionellen und ungewöhnlichen Impulsen von Erika Krumwiede zu folgen.
Die Verantwortlichen der Gemeinde verbreiten am Ende der Aktion im Gegensatz zu den Team-Mitgliedern, dass das Projekt gescheitert sei. – Erika Krumwiede lässt diese „Bewertung“ typischerweise gar nicht Gegenstand ihrer Überlegungen sein. Ihre Ziele: Kommunikation intensivieren, Partnerschaft praktizieren, Selbstverantwortung und Unabhängigkeit trainieren, Sensibilisierung ermöglichen und Zweckfreiheit in der fantasievollen Betätigung kultivieren. Das gilt vor allem im Bereich der Erholung, des Urlaubs und der Freizeit der Teilnehmenden, und das sei eindeutig und nachweislich immer wieder gelungen.
Die zum Teil unüberbrückbaren Widerstände, die bis zum „Eklat“ auch innerhalb des Teams führen, die unvereinbar scheinenden unterschiedlichen Erwartungen an dieses Projekt – aber auch die immer wieder überraschend auftretenden Erfolge, kommunikativen Ereignisse und originellen teilnehmerbezogenen Aktionen werden in diesem privaten Ablaufprotokoll deutlich. Allerdings auch die zum Teil ungeheure psychische und physische Belastung von Erika Krumwiede und dem Team und die immer wieder infrage gestellte Herausforderung zum Durchhalten.
Es ist nicht erkennbar, wie sich diese Aktion weiterentwickelt hat. Vermutlich ist alles „im Sande verlaufen…“.