Ein typisches Projekt mit allen dazu gehörigen kreativen und konfliktreichen Momenten im November 1974:
Es ist ein Freitagabend. Aus allen Himmelsrichtungen sind Teilnehmer zu einem kreativen Workshop angereist: Zwei Pädagogen, ein für seine Radierungen bekannter bildender Künstler, ein Masken-Künstler aus Berlin, ein Schriftsteller, einige Pastoren. Sogar ein Organist aus Basel hat den weiten Weg gemacht.
Der Workshop soll beginnen. Bislang ist noch niemand begrüßt worden. Auch gab es vorab kein Programm über den Ablauf. Alle sind gespannt, weil keiner so richtig weiß, was die Gruppe erwartet. Erika Krumwiede hat das Unternehmen ausgeschrieben und dazu eingeladen: „Medien in der Kreativitätsbildung“. Im großen Raum des Friesenhauses im Sachsenhain bei Verden sitzen einige im Kreis, andere gehen umher.
Als Erika Krumwiede angesprochen wird, wann es beginnt, lacht sie und sagt: „Es hat doch schon angefangen.“ Der Organist will wissen, wer das Seminar leitet. Da werden zwei steile Falten auf der Stirn von Erika Krumwiede sichtbar: „Das ist wieder so eine Frage. Keiner leitet. Alle gemeinsam machen das hier. Ihr alle seid das Programm.“ Der Maskenkünstler verbeugt sich und ruft: „Guten Abend, oder auch nicht…“. Nun ist fast allen klar, dass es kein Programm gibt. „Kreativität ist Kommunikation!“, ruft Erika Krumwiede.
Irgendwann sind einige in Rollen geschlüpft, haben sich mit Tüchern verkleidet, spielen Gänseliesel. Andere sitzen auf dem Boden und diskutieren. Der bildende Künstler hat sich in sein Zimmer zurückgezogen und zeichnet. Es entwickelt sich ein Prozess, der dann auch das Thema ist. Wer davon später berichtet, sagt, es wurde mit einer „Konfliktmethode“ gearbeitet.
Im Januar des Jahres war das dritte Heft der Reihe zB erschienen. Darin ging es um Kreativität und Fantasie. Aus dem Vorwort:
Wie wird dieses Heft gelesen?
Lesen Sie es als Arbeitshilfe:
für den Konfirmandenunterricht
für den Jugendabend
oder die Religionsstunde
oder den Kindergottesdienst
oder die Gruppenstunde
Wir möchten keine derartigen Hilfen anbieten, weil wir wissen, dass es von dieser Art Arbeitshilfen schon sehr viele gibt. Eine weitere Bereicherung ist wohl kaum nötig….
Und einige Seiten später im Heft:
„Die Werbung der Kirche soll zu der Aufgabe beitragen –ja-ja-ja-ja, den Inhalt des Evangeliums – doll – kommunizierbar – hallo-hallo- d.h. mitteilbar zu machen – warum - . Die Mitteilung dieser Inhalte ist – Klasse – das immer wiederkehrende vitale Element – das hat mein Vater auch gesagt – der Kirche. Dieser Aufgabe kann die Werbung nur dann nachkommen – halt die Schnauze -, wenn sie sich – Sie müssen das doch wissen – pulsierender Fantasie – erzähl doch weiter – bedient. Diese Überlegungen haben uns veranlasst – wir wollen jetzt spielen -, einige Tätigkeitsmerkmale der Kirche – wir wollen jetzt spielen – zu untersuchen, um unter dem Aspekt pulsierender Fantasie – wir wollen jetzt spiiiielen – ihre Werbewirksamkeit aufgrund unserer vorangegangenen Definitionen – w i r w o l l e n
j e t z t s p i i i i i e l e n – zu befragen. – ist das dooof –
Spätestens mit ihrer Arbeit im Landesjugendpfarramt beginnt eine Phase der kritischen Wahrnehmung und Begleitung kirchlicher Praktiken in den verschiedenen öffentlichen Handlungsfeldern. Sie lässt keine Form und keine Gewohnheit ungefragt geschehen. Mit ihrer Haltung und oft mit einfachen Fragen oder Aktionen irritiert sie und macht darauf aufmerksam, dass über Gründe und Antriebe immer neu nachgedacht werden muss.
Himmelfahrts – Gottesdienst
Von Besuchern des Gottesdienstes werden Zettel mit ihrer eigenen Meinung über Himmelfahrt vorgelesen und dann auf den Altar gelegt. Ich bin fasziniert von dem Text über das Lachen. Irgendwann während einer Meditationsphase des Gottesdienstes gehe ich zum Altar und suche mir den Text von dem Lachen heraus.
Ich sage laut: „Das Lachen nehme ich mit“ und setze mich mit dem Zettel wieder an meinen Platz.
Nach einer Weile sagt der Schreiber des Textes vom Lachen: „Bitte leg den Zettel wieder auf den Altar zu den anderen Zetteln“. Ich bin zutiefst betroffen. Darf ich nichts mit aus dem Gottesdienst nehmen? Muß alles im heiligen Raum bleiben? Ab dieser Minute bin ich ausgeschlossen aus dem Gottesdienst. Ich schweige auch beim Vaterunser. Ich muß weinen.
Erika Krumwiede
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