Der Anfang

Ein Jahr nach dem ers­ten Welt­krieg wird Erika (Luise Erna) Mül­ler am 1.7. 1919 in Hannover-Ricklingen gebo­ren. Am 31.8. wird sie im Eltern­haus getauft. Sie ist die älteste Toch­ter des Julius Mül­ler und sei­ner Frau Rosa, gebo­rene Ander­sen. Nach ihr wer­den noch eine Toch­ter und zwei Söhne gebo­ren. (Der Name Müller-Krumwiede erscheint als Fami­li­en­name erst nach einer Ände­rung am 21.9.1938. Dazu schreibt sie selbst in einer Ergän­zung zu einer Bewer­bung am 13.8.41: „Um den Wün­schen der Behör­den gerecht zu wer­den und um den dau­ern­den Ver­wechs­lun­gen vor­zu­beu­gen, hat mein Vater vor etwa 2 Jah­ren den Mäd­chen­na­men sei­ner Mut­ter „Krum­wiede“ sei­nem Namen hin­zu­fü­gen lassen…“)

Für die Zeit unge­wöhn­lich sind die zahl­rei­chen Fotos von Erika Krum­wiede als Klein­kind. Sie ver­mit­teln den Ein­druck, dass das Kind sehr wich­tig genom­men und „geliebt“ wurde. Früh schon wird sie sich als ein beson­de­rer Mensch emp­fun­den haben. Das hat sicher­lich ihre Per­sön­lich­keit geprägt.

Betrach­tet man das Haus und die Fotos der ver­schie­de­nen Zim­mer darin, so wird die Umge­bung einer Fami­lie des geho­be­nen Bür­ger­tums deut­lich. Der Vater ist Archi­tekt, der auch als Zeich­ner und Maler künst­le­ri­schen Aus­druck suchte. Etli­che Bil­der (z. B. die „See­stü­cke“) befin­den sich u.a. im Fami­li­en­be­sitz. Durch einen Text gibt es einen Hin­weis dar­auf, dass er auch erzäh­le­ri­sche Ambi­tio­nen hatte. („Moje, der Fischer. Eine kleine Erzäh­lung, mei­ner lie­ben Eka zuge­dacht“) Auf jedem Foto erscheint er gut geklei­det, meist mit Fliege. In einem spä­ten Text (1982), den sie hand­schrift­lich in eine Kladde schreibt, wird ihre beson­dere Zunei­gung zum Vater deut­lich. Ein lie­be­vol­les Por­trät ent­wi­ckelt sie hier, das in die Zeit ihrer Kind­heit zurück­blickt: „…Als ein Kind kam, war er stolz. Er führte es in einem hoch­räd­ri­gen Wagen spa­zie­ren. Das war vor­ges­tern nicht üblich, ja sogar ver­pönt. Er lachte und war stolz auf sich…

Er konnte mit der Nase wackeln und den Ohren und piepte dabei. Die Kin­der lachten…Zaubern konnte er auch…Die Kin­der staun­ten und bewun­der­ten… Wenn er auf den Bau fuhr, um die Ord­nung zu über­prü­fen, packte der seine Kin­der ins Auto, nahm sie mit, so dre­ckig und spe­ckig sie vom Spie­len im Gar­ten waren. Als „Sie“ (Anm.: Die Mut­ter) das ent­deckte, gab es Worte des Vorwurfs…Er erwi­derte nichts…Und immer wie­der nahm er sie so mit, und lachte dabei, und die Kin­der lach­ten auch. Und Geschich­ten konnte er erzäh­len… Sie kamen ein­fach so aus sei­nem Kopf. Kurze, lange, lus­tige, ernste, traurige…Mit sei­nen Kin­dern war er (auch) streng. Dann war er ganz Vater. Bei ihm hieß Vater gleich Ver­ant­wor­tung… Wenn er Ölbil­der malte, muß­ten alle still sein. Dann durfte nur im Gar­ten getobt wer­den. Wenn das Bild zum Angu­cken fer­tig war, durf­ten die Kin­der gucken. Aber nicht nur gucken, son­dern sagen, ob es ihnen gefiel…“

Die Mut­ter bringt das musi­ka­li­sche Fun­da­ment in die Fami­lie ein. Auch die Reli­gio­si­tät ist in der Fami­lie geformt wor­den. Tages­ge­bete sind selbstverständlich.

Aus den Auf­zeich­nun­gen der Schwes­ter von Erika Krum­wiede wird die Atmo­sphäre in der Fami­lie deut­lich. Sie beschreibt, dass ihnen ihre Eltern die Fami­li­en­ge­schichte der Groß­el­tern erzählt haben. Diese Erzähl­kul­tur, die Spiele, die Wan­de­run­gen, das Sin­gen und Musi­zie­ren in der Fami­lie hin­ter­las­sen einen tie­fen Ein­druck und prä­gen das Lebens­ge­fühl und die Wert­vor­stel­lun­gen von Erika Krum­wiede ent­schei­dend. Die spä­te­ren Kin­der­bil­der sind zahl­reich und kön­nen als Beleg gedeu­tet wer­den für die har­mo­ni­sche Welt der Fami­lie im Haus und in einem weit­läu­fi­gen Garten.

Ab 1925 besucht sie die pri­vate Vor­schule des Ost-Oberlyzeums Han­no­ver, von 1930 bis 1934 dann das Ober­ly­zeum Ost­stadt Han­no­ver (Elisabeth-Granier-Schule). Das Grund­schul­heft mit den Buchstaben-Übungen und die Fibel aus der ers­ten Klasse machen den Anfang der Samm­lung vie­ler Hefte bis zum Ende der Aus­bil­dung. Ordent­lich auf­be­wahrt. Und schlägt man die Hefte auf, dann sieht man die kor­rekte, sau­bere Schrift der Erika Mül­ler (Krumwiede).

Aus gesund­heit­li­chen Grün­den ver­lässt sie im Juli 1934 die Schule aus der Ober­ter­tia. (Sie selbst schreibt in einem Lebens­lauf: „In der Ober­ter­tia musste ich wegen Ent­wick­lungs­stö­run­gen die Schule ver­las­sen.“) Danach erhält sie einige Zeit Privatunterricht.

Am 31. 3. 1935 wird sie in der Ev.-luth. Gethsemane-Kapelle in Han­no­ver konfirmiert.


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