Nachdem sich der Schwerpunkt der Arbeit von Erika Krumwiede mehr und mehr in Seminare, Gesprächsgruppen und Aktionen verlagert hat, beantragt sie 1978 ihre Beurlaubung bei der Hannoverschen Landeskirche und wird 1979 aus dem Amt für Gemeindedienst verabschiedet.
Ab 1.7. 1979 übernimmt sie die pädagogische Leitung der Akademie für Lebens- und Freizeitinhalte Sandkrughof e.V. in Lauenburg. Sie ist von der Hannoverschen Landeskirche beurlaubt.
Erika Krumwiede bezieht ein kleines Haus auf dem weitläufigen Parkgelände oberhalb der Elbe. Allen Freunden und Besuchern erscheint diese neue Aufgabe so offen, als würde Erika Krumwiede hier nun alle ihre Ideen in Gesprächskreisen, Seminaren und Aktionen verwirklichen können. Sie konzipiert ein neues Programm, das sich entsprechend der Zielgruppe der Akademie an ältere Menschen wendet. Zahlreiche Seminarangebote mit den Schwerpunkten Kreativität, Kommunikation und Lebensgestaltung stehen unter einem von ihr entwickelten Logo im Programmheft.
Sie ist als Leiterin in allen Seminaren beteiligt, versucht ihre Auffassung von pädagogischer Arbeit mit Erwachsenen in einem eher konservativen Umfeld zu verwirklichen. Etliche Gesprächsrunden – teilweise mit Mitarbeitenden aus der früheren Tätigkeit – treffen sich in dem Herrenhaus oder in ihrem Domizil.
Die kreativen und nicht immer kalkulierbaren Aktivitäten von Erika Krumwiede in dieser Zeit führen schon bald zu Konflikten mit der Leiterin und Besitzerin des Instituts. Der Vertrag wird nicht verlängert. Sie verlässt die Akademie schon nach zwei Jahren zum 30.8.1981und geht in den vorzeitigen Ruhestand.
Etliche Pläne und Konzepte folgen. Sie ist im Gespräch, um möglicherweise in einem Kloster (Wenigsen, Fischbek oder Wülfinghausen) ein Programm für „Kunst und Kommunikation“ unter ihrer Leitung aufzubauen. Ein Konzept sieht bereits schon den Ausbau einer Wohnung in einem Kloster der Hannoverschen Landeskirche für Erika Krumwiede vor und nennt einen möglichen Einzugstermin. Warum der Vorgang beendet wird, geht nicht aus der abschließenden Korrespondenz hervor. Denkbar ist aber, dass – wie bei manchen anderen Projekten – die Vorstellungen von Erika Krumwiede zu ungewöhnlich und deren Folgen nicht klar kalkulierbar waren. Das Risiko wollten die Verantwortlichen offenbar nicht eingehen. So lassen sich alle diese Planungen nicht verwirklichen.
Das ist der Ausgangspunkt für ihre künftige Tätigkeit als „Freie Pädagogin, Künstlerin und Autorin“. 1981 richtet sie in ihrem Haus in Hannover, Börnestraße 4, eine Wohnung für Begegnungen und Gespräche ein. Danach entsteht ein Kommunikationsraum hinter ihrer Garage im Keller: Die Waschküche.
„So groß ist der Spiegel an der Wand, dass er verschwindet. Ein Raum öffnet sich. Ich gehe schnell. Jemand kommt auf mich zu. Ich nehme ihn kaum wahr. Plötzlich ein Schrei. Erschrocken halte ich inne. Ich stehe vor mir selbst und schäme mich.“
Erika Krumwiede
Ihre Form der Kommunikation
in Literatur, Aktionen und Projekten
Von 1981 bis 2001 arbeitet Erika Krumwiede in zahlreichen Projekten, Aktionen, Seminaren und vor allem in den von ihr angeregten Gesprächsgruppen. Regale voller Aktenordner zeigen den Umfang und die Bandbreite ihrer Tätigkeiten. Dazu erscheint 1989 die erste literarische Veröffentlichung („Glaskopf“, Miniaturen), vier weitere folgen bis 2001.
Auffällig deutlich wird im Rückblick, dass Sie ihre Einstellung konsequent bis zu ihrem Tod beibehalten hat: Offenheit für alle Fragen und Erscheinungsformen in der Gesellschaft und deren radikale Prüfung auf den Sinn für das Leben des Einzelnen und der Gemeinschaft. Dabei verweigert sie das Einstimmen in Zeitströmungen, in politisch/religiöse Korrektheit und in festgelegte Wege der Diskussion. Ihre grundsätzliche Abneigung gegen das Konventionelle.
Und alle, die sie kennen, werden sich an ihren manchmal trotzigen und manchmal verwunderten Gesichtsausdruck erinnern. Eine vielleicht früh erworbene Gabe, direkt zu reagieren in einer zu bewundernden produktiven Naivität. Dagegen die spontane Freude an ungewöhnlichen Ideen. „Sie konnte so mitreißend sein und Zutrauen vermitteln“, sagt eine Freundin. – Diese zur Haltung gewordene Eigenschaft findet sich in allen Darstellungsformen, Projekten und auch in ihren Texten. Manche Menschen, denen Erika Krumwiede begegnet ist, werden diese Eigenschaft als einen Mangel in einer bestimmten Art von intellektuellem Denken gedeutet haben.
Einige wenden sich – aggressiv oder gleichgültig – von ihr ab, weil sie sich oft nicht auf diese eine Form logischer Argumentation einlässt. Ihr Wissen und ihr Ahnen äußern sich in Gesprächen anders. Wer sich aber nicht auf ihren Gedankenweg ausrichtet, dem verschließt sich dieses aus der Intuition bewegte existenzielle Denken und Handeln. Und deshalb beendet sie manchmal abrupt eine Verbindung.
Eine Nichte beschreibt sie so: „Eine exzentrische Frau mit guten Ideen und streng mit sich und der Welt. Das Besondere an ihr war die Art und Weise, wie sie die Welt betrachtet hat: wie ein Kind, dass in den kleinen Dingen das Ungewöhnliche sehen und davon erzählen konnte. Aber sie konnte auch unerbittlich sein, wenn es nicht nach ihrem Kopf ging.“
„Nur die Intuition berührt die Wahrheit, ohne Inhalt und Form zu brauchen. Die Intuition ist diese versteckte, unbewusste Reflexion, die der Form vorausgeht, während diese selbst sich herstellt, bevor sie zu Tage tritt.“
Clarice Lispector
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