Medienberichte

Der Nord­deut­sche Rund­funk berichtet

Der Bei­trag vom 10.07.2012 kann auf http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/hannover/ausstellung551.html  und eine Foto­ga­le­rie auf http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/hannover/ausstellung549.html betrach­tet wer­den. (Videos öffentlich-rechtlicher Anstal­ten sind nicht dau­er­haft im Netz ver­füg­bar, diese Links kön­nen dem­nächst ver­al­tet sein).

Pres­se­spie­gel

(30.06.2012) evan­ge­li­scher pres­se­dienst (epd):
Kuriose Aus­stel­lung: Frau doku­men­tierte eige­nes Leben fast lücken­los:
Pres­se­spie­gel - epd (PDF-Datei)

(30.06.2012) Lan­des­kir­che Han­no­vers,
Tages­thema auf www.landeskirche-hannovers.de:
Kenne ich mich?” - Kuriose Aus­stel­lung: Frau doku­men­tierte eige­nes Leben fast lücken­los (Dr. Julia Helmke, Beauf­tragte für Kunst und Kul­tur im Haus kirch­li­cher Dienste):
Pres­se­spie­gel - Lan­des­kir­che Han­no­vers (PDF-Datei) (Quelle)

(01.07.2012) Radio NDR 1 Nie­der­sach­sen:
Zwi­schen­ruf (Jan von Lin­gen): 
Pres­se­spie­gel - NDR 1 (PDF-Datei)

(01.07.2012) Evan­ge­li­sche Zei­tung (EZ):
Eine viel­sei­tige Frau - Aus­stel­lung, Bücher und ein vir­tu­el­les Archiv über Erika Krum­wiede:
Pres­se­spie­gel - EZ (PDF-Datei)

(02.07.2012) Han­no­ver­sche All­ge­meine Zei­tung (HAZ):
„Das letzte Auf­leuch­ten eines Lebens” (Simon Benne):
Pres­se­spie­gel - HAZ (PDF-Datei)

(05.07.2012) Neue Presse (NP):
Kurio­ses Archiv eines Lebens:
Pres­se­spie­gel - NP (PDF-Datei)

Arti­kel

Der taz-Redak­teur Alex­an­der Kohn hat einen Arti­kel geschrieben:

Alex­an­der Kohn

Netz der Erinnerung

Zehn Jahre lang haben Heinz Katt­ner und Ger­hard Dahle den Nach­lass der Kir­chen­frau Erika Krum­wiede (1919 – 2002) durch­fors­tet. Her­aus kamen eine Aus­stel­lung in Han­no­ver mit aller­lei Klein­oden aus ihrem „Archiv Kurio­sum“, eine Bio­gra­fie und ein Gedichtband

Sei immer sau­ber und schmü­cke Dich für Dei­nen Mann“, steht auf dem Zet­tel von 1941. „Du sollst kei­nen Tand trei­ben, son­dern Dei­nen Leib in Unschuld und Liebe Dei­nem Manne wei­hen, denn das ist Got­tes Wille”, schrieb der Vater von Erika Krum­wiede damals für seine 22-jährige Toch­ter. Der Titel der väter­li­chen Rat­schläge: „Zwölf Gebote für eine christ­li­che Haus­frau”. Ihren Wunsch, dem Vater nach­zu­ei­fern und Archi­tek­tin zu wer­den, hatte er ihr ver­bo­ten. 1941 been­dete sie eine Aus­bil­dung als Gemein­de­hel­fe­rin, 1943 war sie geprüfte Orga­nis­tin und Chorleiterin.

Ihr Ari­er­nach­weis liegt unkom­men­tiert in einer klei­nen Vitrine im Foyer des Hau­ses kirch­li­cher Dienste in Han­no­ver, wo ihr Nach­lass für zwei Wochen aus­ge­stellt ist. Hun­derte Post­kar­ten sind im „Archiv Kurio­sum“ zu sehen, Fotos aus den 1960ern, diverse Bibeln, Auf­zeich­nun­gen, gemalte Bil­der aus ihrer Kind­heit in den 1920ern. Dane­ben ihre Haus­halts­bü­cher mit der lücken­lo­sen Aus­lis­tung aller Ein­käufe von 1949 bis kurz vor ihrem Tod als 83-Jähirge im Jahr 2002. Der letzte Ein­trag ist von Hei­lig­abend 2001: Ein Geschenk für ihre Haus­halts­hel­fe­rin. Am Ende des Rund­gangs hängt ein Foto ihres Grab­steins, den sie schon Jahre vor ihrem Tod anfer­ti­gen ließ. „Was machst Du hier? Geh her­aus, spricht Gott“, ver­kün­det dar­auf ein Bibel­spruch aus dem Buch der Könige.

Das ist das Para­dies für sie“, sagt Heinz Katt­ner, der den Nach­lass mit Ger­hard Dahle zehn Jahre lang sor­tiert und das Archiv Kurio­sum geschaf­fen hat. Doch er meint damit nicht Erika, son­dern die neun Enten­ba­bys im Innen­hof. Das Foyer begrenzt den klei­nen Gar­ten auf allen vier Sei­ten mit Glas­wän­den, sodass prak­tisch keine natür­li­chen Feinde ein­drin­gen kön­nen. Dann spricht Katt­ner von Reli­gion. In den 1950er Jah­ren habe Erika sehr mora­li­sche Lai­en­stü­cke geschrie­ben. „Es ist ver­wun­der­lich, dass sie diese enge Form der Reli­gio­si­tät durch­bro­chen hat”, fin­det der 65-Jährige. Irgend­wann habe sie in ihren Gesprächs­krei­sen und Semi­na­ren nicht mehr beleh­ren wol­len, son­dern nur noch Fra­gen gestellt. „Sie konnte einem fast auf die Ner­ven gehen mit ihren ewi­gen Fra­gen”, sagt er ein biss­chen weh­mü­tig. „Diese ent­schei­den­den exis­ten­zi­el­len Fra­gen zu stel­len, das war ihr Auf­trag”, sagt Kattner.

Der rennt immer alleine rum“, sagt er, als sein Blick auf eines der Enten­ba­bys im Innen­hof fällt, dass sich gerade unter einem Busch ver­kriecht. Katt­ner steht vor zwei Wasch­kör­ben vol­ler alter Dias und hält einige gegen das Licht. „Ich habe meine wich­tigs­ten Dias digi­ta­li­siert und den Rest weg­ge­schmis­sen”, sagt der 65-Jährige. Er habe durch die Arbeit mit dem Nach­lass und das Schrei­ben einer Bio­gra­fie über Erika einen ande­ren Bezug zu Din­gen bekom­men. Es sei bei­nahe erschre­ckend gewe­sen, wie viele Sachen Krum­wiede gebun­kert hatte.

Hun­derte Mar­me­la­den­glä­ser, aus­ge­spülte Creme­do­sen oder rund hun­dert hüft­hohe Fähn­chen von einer ihrer künst­le­ri­schen Instal­la­tio­nen. Erika war im Jahre 1998 durch Han­no­vers Fuß­gän­ger­zone gelau­fen und hat Pas­san­ten gebe­ten, ihren ers­ten Gedan­ken zu „Auf­er­ste­hung“ auf ein Blatt Papier zu schrei­ben. Das Ergeb­nis war ein Laby­rinth in der nahe gele­ge­nen Ruine der Aegi­di­en­kir­che, durch das die Besu­cher zwei Wochen lang schwei­fen konn­ten. „Wie­der­ge­burt für den Men­schen, aber nicht Auf­er­ste­hung“, steht auf einem der Fähn­chen, die wegen der Enten nicht im Innen­hof aus­ge­stellt sind, son­dern im Foyer. „Zeit spielt keine Rolle mehr“, steht auf einem ande­ren. „Ges­tern war ich zehn“, heißt es in einem Gedicht aus Eri­kas letz­ten Jah­ren, „heute bin ich acht­zig, in zehn Jah­ren werde ich ein­und­acht­zig sein.“

Am Ende hat sie sich nur noch in rot und lila geklei­det, erzählt Katt­ner und zeigt ihre erika­rote Kom­mode. „So ein biss­chen schräg war sie ja schon“, sagt Katt­ner. Sie sei mit ihrem roten Wagen bei ihm vor­ge­fah­ren, mit einem roten Akten­kof­fer aus­ge­stie­gen, und habe stets eine rot gerahmte Brille in einem roten Etui dabei gehabt. „Ein­ge­fah­rene Wege zu ver­las­sen, das habe ich von ihr gelernt”, sagt Dahle, der in den 70ern zusam­men mit Erika im Haus kirch­li­cher Dienste Semi­nare orga­ni­sierte. Einige Monate vor ihrem Tod haben sie gemein­sam mit Katt­ner eine Abma­chung zur Grün­dung des Archiv Kurio­sum aufgesetzt.

Das Schrift­stück hängt gerahmt neben den Büchern, die Erika auf dem Nacht­tisch ihres Kran­ken­bet­tes ste­hen hatte. Oscar Wilde, Franz Kafka, zwei Aus­gabe der hei­li­gen Schrift. „Das was wir tun konn­ten, um das Mate­rial ver­füg­bar zu machen, haben wir getan. Dann muss auch mal Schluss sein”, sagt Katt­ner. Der Groß­teil des Nach­las­ses werde nach dem Ende der Aus­stel­lung Mitte Juli ent­sorgt. Einige Stü­cke sol­len in das Archiv der Han­no­ver­schen Landeskirche.

Jeder Besu­cher bekommt einen bebil­der­ten Aus­stel­lungs­guide zur Erin­ne­rung. „Bitte gehen sie ins Netz der Erin­ne­rung“, steht auf der letz­ten Seite neben dem Link zum Archiv Kurio­sum. Erika habe erst mit Ton­bän­dern expe­ri­men­tiert, dann mit Kas­set­ten und spä­ter mit CDs. „Sie würde heute sicher im Inter­net aktiv sein”, sagt Katt­ner, wäh­rend sich die Enten­ba­bys in einem klei­nen Bot­tich mit Was­ser tum­meln. In Kürze sol­len Video­in­ter­views mit Bekann­ten auf der Home­page ein­ge­stellt wer­den. Auch ein abge­film­ter Rund­gang durch ihre Woh­nung im Jahr 2002 werde dann zu sehen sein. Über eine Kom­men­tar­funk­tion sol­len Sur­fer ihre Ein­drü­cke aus­tau­schen können.

Bis es soweit ist, sind die Enten­ba­bys viel­leicht schon groß genug, um aus dem Innen­hof in die Frei­heit zu fliegen.


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